Bericht über mein Auslandssemester an der
KTH Stockholm im Wintersemester 2013/2014
von Andreas Goerttler
Bevor ich nach Schweden ging wusste ich nicht allzu viel über Schweden. Umso größer war die Freude dort ein halbes Jahr lang leben und studieren zu können. Ermöglicht wurde dies durch die Unterstützung der Herrmann-Reissner-Stiftung. Im Sommer 2013 ging es dann endlich los. Drei Wochen vor dem regulären Semesterstart kam ich in Stockholm an. Studentengruppen vor Ort ermöglichten eine kurzweilige Eingewöhnungsphase. Bei einer Kanutour, Stadtrally, Nachmittage am Strand oder Spieleabenden lernte man sehr schnell viele neue Freunde kennen. Ein Höhepunkt war hier der Halbtagesausflug zur „Cabin“ der Universität. Dieses Ferienhaus kann von Studenten für einen Tag oder ein Wochenende gemietet werden. Nach allerlei lustigen Spielchen und Grillen konnte man die schöne Landschaft und die Sauna direkt an einem Seitenarm des Schärengartens genießen.
Auch die Zeit danach an der Uni war sehr selten mit Stress verbunden. Das System in Schweden ist sehr viel studentenfreundlicher. Jedes Semester ist nochmal in zwei Terms aufgeteilt. Viele Fächer werden dann nur in einem Term unterrichtet. Dies führt dazu, dass man generell etwas weniger Fächer belegt, diese aber sehr intensiv ausführt. Neben meinem Schwedisch Sprachkurs und einer informativen Erasmusveranstaltung über die schwedische Gesellschaft besuchte ich deshalb auch nur vier weitere Hauptfächer.
In der ersten Hälfte belegte ich die beiden Fächer „Lightweight Structures“ und „Wind Energy Aerodynamics“, die nahezu täglich stattgefunden haben. In beiden Fächern mussten wir nebenbei kleine Projekte durchführen. In „Lightweight Structures“ entwickelten wir zuerst unser eigenes Rechenprogramm, um die Belastung verschiedenartiger Balken zu berechnen. Im zweiten Teil benutzten wir dann einen kommerziellen Löser um die Ergebnisse zu vergleichen und festzustellen, welche Grenzen unserer Ergebnisse durch die Annahmen entstanden. In „Wind Energy Aerodynamics“ verbrachten wir in Kleingruppen einen halben Tag mit Windkanalversuchen und anschließender Auswertung. Beide Klausuren fanden fast direkt im Anschluss an die Kurse statt. So gestaltete sich die Vorbereitung recht einfach, da durch die ständige begleitende Mitarbeit während der Kurse die Inhalte schon gut verstanden waren.
Im zweiten Term belegte ich dann die beiden Fächer „Aeroelasticity“ und „Turbulence“. Selbst in dem eher theoretischem Fach „Turbulence“ führten wir Ähnlichkeitsmessungen im Nachlauf eines umströmten Zylinders im Windkanal durch. „Aeroelasticity“ wurde in einem neuartigen Konzept unterrichtet. Der Inhalt wurde in Themenblöcke eingeteilt. Nach einer einführenden Vorlesung trafen wir uns in unseren Arbeitsgruppen. Nach der Bearbeitung einiger Fragen konnten wir durch Rückmeldung an den Lehrer mitbestimmen, in welcher Richtung noch Erklärungsbedarf bestand. Parallel dazu entwickelten wir ein Rechenprogramm weiter, mit dem wir das real existierende Flügelmodell aeroelastisch berechneten. In jedem Block wurde das Programm mit einer passenden Aufgabenstellung erweitert. Im Windkanalversuch validierten wir unsere Materialkennwerte mit Hilfe von Vibrationstests. In einem weiteren Windkanalversuch versuchten wir das auftretende Flattern des Flügels mit Hilfe von Gewichten zu höheren Windgeschwindigkeiten zu verlegen. Unser Programm half uns hierbei optimale Punkte und Massen zu finden.
Generell ist die Infrastruktur an der Uni gut ausgebaut. Computerräume waren auch am Wochenende mit einer Zugangskarte durchgängig betretbar. Mehrere Drucker standen für die Studenten bereit und das frei verfügbare Druckkontingent eines jeden Studenten war großzügig bemessen. Der Campus der Uni ist sehr schön und gerade im Sommer laden während Freistunden große Grünflächen zum Verweilen ein.
Stockholm ist eine sehr angenehme Großstadt. Durch das Aufeinandertreffen des Mälarensees und des baltischen Meeres ist das Stadtbild von Wasser geprägt. Die Stadt selbst ist auf mehreren Inseln aufgebaut und viele schöne Brücken verbinden diese miteinander. Die Fußgängerzone und besonders die Altstadt haben einen unvergleichlichen Charme. Der Besuch des Vasa-Museum und das Freilichtmuseum „Skansen“ lohnt sich auf jeden Fall. Im Vasa-Museum lässt sich ein nahezu komplett erhaltenes fast 400 Jahre altes Wikingerschiff betrachten. „Skansen“ stellt ein Schweden Anfang des 19. Jahrhunderts dar. Des Weiteren leben dort viele Tiere der nordischen Fauna. Dadurch konnte ich die Nationaltiere Schwedens, Rentiere und Elche, sehen.
Neben dem Unialltag blieb aber auch noch genügend Zeit übrig umgebende Regionen oder Länder zu besuchen. Aufgrund der Meeresnähe fahren täglich Fähren nach Finnland oder in die baltischen Staaten. So lernte ich durch Wochenendausflüge noch weitere interessante Städte kennen. Auch in den hohen Norden zog es mich. So unternahm ich mit Freunden eine kleine Reise über den Polarkreis. Da es erst November war blieben uns sogar noch vier Sonnenstunden. Durch die durchgehend weiße Schneedecke kam es uns aber gar nicht so dunkel vor.
Unvergessen sind sicherlich zwei Schneewanderungen in unberührter Natur. Aber auch die zum Hostel gehörende Sauna und die Hundeschlittenfahrt dürfen nicht unerwähnt bleiben. Die Polarlichter waren aufgrund einer dichten Wolkendecke eher schwer zu sehen. Jedoch hatten wir eine Nacht Glück und konnten für einige Minuten einen grünlich schimmernden Schleier am Himmel sehen.
Schweden ist auch wegen eines relativ hohen Preisniveaus bekannt. Besonders bei Nahrungsmitteln fiel der Unterschied zu Deutschland auf. Auch aus diesem Grund möchte ich mich nochmal ganz herzlich bei der Herrmann-Reissner-Stiftung bedanken. Der Zuschuss federte den Preisunterschied deutlich ab.